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Kohlefaserrohre selber wickeln

von Eike W. Schmidt

Vorwort

Im folgenden beschreibe ich, wie ich die Kohlefaserrohre für meinen Kölle Indoor Kite in Wickeltechnik selbst hergestellt habe.

Für den Bau von Fesseldrachen ist eine breite Palette unterschiedlicher Kohlefaserrohre kommerziell erhältlich. Die Herstellung eigener Rohre für Fesseldrachen ist deshalb eher ungewöhnlich.

Beim Bau von Modellflugzeugen ist dies anders, da man im Gegensatz zum Fesseldrachen nicht nur biegesteife sondern auch drehsteife Rohre zum Beispiel als Tragflächenholm braucht. Je nach Modellflugzeug kann man durch die Auslegung des Rohres seine Eigenschaften bestimmen, es also dreh oder biegesteifer machen.

Die im folgenden beschriebene Technik ist somit im allgemeinen nicht ungewöhnlich, obwohl auch im Modellflugsektor die Palette käuflich erwerblicher spezieller Rohre zunimmt.

Die Technik

Der Ausdruck Wickeltechnik hat ersteinmal nichts damit zu tun, ob die Kohlefaser gewickelt (bzw. geflochten) ist oder nicht. Für die Biegesteifigkeit eines Drachenrohres ist es sogar ungünstig wenn die Faser gewickelt ist, weil sie dadurch nicht mehr parallel zur Längsachse des Rohres sind.

Wickeltechnik bezieht sich darauf, dass das Rohr auf einem Kern hergestellt wird, und wärend der Kunststoff aushärtet mit einem Band umwickelt ist. Dies sorgt auch für die charakteristische in einer Spirale umlaufende Oberfläche der Rohre in Wickeltechnik. Eine gute Beschreibung dieser Technik ist im Buch "Rippenflügel aus Faserverbundwerkstoffen" von Stefan Dolch (erschienen im VTH, ISBN 3881800832), zu finden.

Das Material

Das spätere Rohr besteht aus zwei Zutaten, der Kohlefaser und dem Epoxidharz. Die Kohlefaser lässt sich am besten in Form von Kohlefaserschlauch verwenden. Diesen kann man ohne viel Aufwand über einen Kern ziehen. Wie oben erwähnt, sind Winkel zwischen Faserrichtung und Stablängsachse eigenentlich für eine hohe Biegesteifigkeit unerwünscht. Deshalb sollte man den Kohleschlauch so auswählen, dass sein Durchmesser in gezogenem Zustand nur wenig kleiner als der Durchmesser des Kernes ist. Der von mir verwendete Schlauch besteht aus 32 über kreuz geflochtenen Fäden und hat zusätztlich 10 längs eingewebte Fäden. Alle Fäden sind ein 1K-Garn mit 67 tex Stärke aus HT Kohlefaser.

Das Epoxidharz ist vom Typ L 285 welches mit einem Härter vom Typ H 285 eine Topfzeit (Verarbeitungszeit) von 60 Minuten hat. Diese Zeit reicht aus, um jeweils zwei Rohre nacheinander einzuharzen und zu umwickeln.

Der Kern auf dem der Stab hergestellt wird ist ein 5 mm VA-Edelstahlstab in 1.5 m Länge. Diese Länge ergab sich einfach aus dem Wunsch mindestens 125 cm Rohrlänge zu erhalten. Die Beschaffung eines solchen Stabes erweist sich allerdings nicht als ganz einfach, da soetwas nicht unbedingt zum Sortiment von Baumärkten gehört. Glücklich kann sich schätzen, wer in seiner Nähe ein Metallkontor hat.

Als Band zum Umwickeln der Kohlefaser eigent sich breiteres (1 cm) Ringelband (dieses Plastik Geschenkband welches sich ringelt wenn man es über eine Schneide zieht).

Die Herstellung

Damit man den Stab auch irgendwann wieder vom Kern trennen kann, sollte man den Kern mit einer Wachsschicht überziehen. Ein geeignetes Wachs ist Paraffin. Die meisten Teelichter bestehen daraus und eine Hunderterpackung reicht bei weitem aus. Als Tauchbad verwende ich ein 1,6 m langes Kupferrohr mit 25 mm Innendurchmesser. Wie ich das Wachs erhitzt habe, will ich hier lieber nicht verraten, um Nachahmer davon abzuhalten es mir nachzutuen. Wenn man einen 1,5 m langen Stab in ein 1,6 m langes Wachsbad tauchen will, ergibt sich unweigerlich ein Problem: Man braucht mehr als 3,1 m Raumhöhe. Wer nicht gerade in einem Altbau mit sehr hohen Zimmern wohnt kann wie ich vielleicht in ein Treppenhaus ausweichen. Da man den Edelstahlkern wohl kaum freihändig still genug halten kann, um ihn nicht am Rand des Tauchrohres anzustoßen, habe ich eine Schnur an ihm festgebunden, die ich über einen Galgen am oberen Treppengeländer umgelenkt habe.

Wachsbad im Treppenhaus

Wachsbad im Treppenhaus

Damit die Wachsschicht schön geleichmäßig wird, sollte man den Kern einen Augenblick im heißen Wachsbad temperieren, und ihn dann vorsichtig sowie gleichmäßig herausziehen.

Wenn das Wachs hart ist, kann man den Stab mit dem Kohleschlauch überziehen. Dabei sollte man vorsichtig vorgehen, um die Wachsschicht nicht zu beschädigen. Im nächsten Bild kann man die Längsfasern erkennen, welche nach dem Aufziehen überstehen, da sie sich nicht wie der Rest des Schlauches stauchen lassen.

Die Kohlefaser auf dem Kern

Die Kohlefaser auf dem Kern

Zur Arbeit mit Epoxidharz sei hier vorweg gesagt, sollte man Plastikhandschuhe (kein Latex, das hilft angeblich nicht) tragen, denn Epoxidharz kann eine Alergie auslösen.

Zum Einharzen und Umwickeln des Rohres wird der Kern an beiden Enden drehbar gelagert. Eine Seite des Kerns wird mit einer Handkurbel versehen, um ihn besser drehen zu können. Der Schlauch wird an einem Ende mit Klebeband am Kern festgeklebt (das Wachs ist an dieser Stelle natürlich vorher zu entfernen). Von diesem Ende aus wird dann auch das Ringelband um die Kohlefaser gewickelt. Bevor man das Epoxidharz anrührt sollte man auch das Ringelbandende am Kern festkleben. Zum Drehen muss man einen Helfer rekrutieren, da man später mindestens drei Hände braucht. Das Epoxidharz wird gleichmäßig auf die Kohlefaser aufgebracht. Überflüssiges Harz wird vom fixierten Ende her zuerst mit der Hand (dadurch massiert man das Harz nochmal in die Faser) und dann mit Küchenkrepp abgestrichen.

Spätestens jetzt braucht man den Helfer. Wärend er kurbelt, läßt man das Ringelband durch die eine Hand unter ordentlichem Zug gleiten, während man mit der anderen Hand und einem Küchentuch den Stab daran hindert sich durch den Zug am Ringelband furchtbar zu verbiegen. Das Band wird etwa 2-3 mm überlappend stramm um den Stab gewickelt. Hierbei tritt auch nochmal etwas Harz aus. Wenn man am Ende angelangt ist, lässt man es den Helfer festhalten, während man es mit Klebeband fixiert.

Das Harz braucht nun 24 Stunden zum Aushärten. Während dieser Zeit habe ich den Kern senkrecht aufgehängt, und mit 1 kg Gewicht beschwert, damit das Rohr möglichst gerade wird.

Nach dem Aushärten muss man das Ringelband vom Rohr abwickeln.

Tempern

Tempern bedeutet, dass man den faserverstärkten Kunststoff über eine gewisse Zeit einer erhöhten Temperatur aussetzt. Die Festigkeit des Epoxidharzes kann man durch Tempern um etwa 10 % erhöhen. Wichtiger ist dabei allerdings, das man dadurch auch die Hitzebestädigkeit (genauer gesagt die Glasübergangstemperatur) wesentlich erhöhen kann. Ich habe die Kohlerohre 10 Stunden bei einer Temperatur von 55° Celsius getempert, wodurch die Rohre bis etwa 75° Celsius hitzebeständig sein sollen. Dies reicht hoffentlich auch für einen sonnigen Tag im Auto.

Ein Zimmer bekommt man kaum auf 55° C, also braucht man eine Kiste, in der man die Temperatur so weit erhöhen kann. Die Temperkiste besteht aus 4 cm dicken Styroporplatten, hat eine Innenabmessung von etwa 18 cm Breite, 50 cm Tiefe und 173 cm Höhe. Die Temperbox habe ich in der Tiefe mittels einer Rigipsplatte, welche oben und unten ein Loch von 6 cm Duchmesser hat, in zwei Kammern geteilt. Auf diese Weise erhoffe ich mir einen Luftstrom in der Temperbox durch Konvektion. Geheizt wird mit zwei 75 W Glühbirnen. Da eine Glühlampe nur etwa 5% der zugeführten Energie in Sichtbares Licht umwandelt und fast der ganze Rest in Wärmestrahlung umgesetzt wird, erhält man so etwa 140 W Heizleistung.

Die Stäbe werden zu viert in einem Holzgestell aufgespannt und das Gestell in der Temperbox aufgehängt, wie im nächsten Bild zu erkennen ist.

Rohre in der Temperbox

Rohre in der Temperbox

Entkernen

Wenn die Rohre getempert sind, muss man sie nur noch vom Kern trennen. Dazu erhitzt man die Stäbe durch 80 °C heißes Wasser, damit das Wachs schmilzt und man das Rohr vom Kern ziehen kann. Man kann zum Beispiel in der Badewanne das Wasser senkrecht über den Stab laufen lassen (Vorsicht vor Wachs im Abfluß!). So einfach wie es klingt ist es leider nicht. Oft klebt das Rohr doch irgendwo am Kern fest. Hier hilft dann der Einsatz von gezielter Gewalt. Man muss den Stab gleichmäßig erhitzen und gegen Verrutschen gesichert senkrecht auf den Boden stellen. Dann packt man das Rohr am unteren Ende (hierbei sollte man stabile Lederarbeitshandschuhe tragen) und drückt mit viel Kraft in Richtung Boden. Wenn es gut läuft, macht es irgendwann Knack und das Rohr bewegt sich auf dem Kern. Natürlich muss das Ganze passiert sein, bevor sich der Stab zu weit abgekühlt hat.

Ergebnis

Entlohnt wird die Mühe durch ein sehr leichtes Kohlefaserrohr. In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse von Vergleichsmessungen (siehe Tabellenbeschriftung) mit einem Standardrohr (4 mm) und einem Standardstab (3 mm) dargestellt.

Durchbiegung verschiedener Stäbe bei einer Belastung mit 200 g in der Mitte zwischen zwei 800 mm entfernten Auflagepunkten
Typ Durchmesser Wandstärke Gewicht / Länge Durchbiegung
Stab 3 mm   11,2 g/m 40 mm
Rohr 4 mm 0,75 mm 11,8 g/m 16 mm
Eigenbau 5,4 mm 0,2 - 0,3 mm 6,0 g/m 23 mm

Das selbstgemachte Kohlefaserrohr wiegt etwa die Hälfte sowohl des 4 mm Rohres als auch des 3 mm Stabes. Es biegt sich unter Belastung 17 mm weniger weit durch als der 3 mm Stab und nur 7 mm mehr als das 4mm Rohr. Das Verhältnis von Steifigkeit und Gewicht ist also beim selbstgemachten Rohr am besten.

Ich möchte natürlich nicht verschweigen, dass das selbstgemachte Rohr wesentlich leichter bricht als das 4 mm Rohr und der 3 mm Stab, aber für den Einsatz in einem Indoordrachen sollte es allemal stabil genug sein.

Ob das Ergebnis den Aufwand gelohnt hat ist natürlich fraglich. Ich sehe es als interessante Erfahrung und werde bestimmt noch den einen oder anderen Stab in Wickeltechnik herstellen.

Sollte noch jemand seine Drachenrohre selbst gemacht haben, berichtet mir doch bitte von Euren Erfahrungen.



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